Was ist dir unheimlich auf Reisen? Eine dunkle Gasse oder düster drein schauende Gestalten? Stell dir eine einsame Insel vor. Schroffes Karstgestein und grün bewachsen. Jetzt denkst du an einen weißen Sandstrand? Nein, alles was du auf ihr vorfindest, ist eine verlassene Ruine einer alten Villa und ein religiöser Schrein. Bei Tageslicht mag das noch wenig beängstigend sein, aber was passiert bei Einbruch der Dunkelheit? Erst bei Nacht? Stell dir vor, du würdest hier in diesem Lost Place von Matinloc Island auf Palawan eine Nacht verbringen? An einem verlorenen Ort, der seinem Verfall ausgesetzt ist? Allein?
Ankunft auf der Insel Matinloc bei Tageslicht
Über einen Bootssteg gelangen wir auf die Insel. Auf der rechten Seite ist der Schrein zu sehen. Geradeaus geht es auf die Villa zu. Von außen wirkt sie auf den ersten Blick noch nicht lange unbewohnt. Wir betreten das Gebäude. Es ist recht düster, nur ein paar Lichtstrahlen dringen in den Raum und die wenigen zurückgebliebenen Gegenstände werfen ihre Schatten. Von den Wänden bröckelt die Farbe, die Decke kommt stellenweise herunter. Ich lausche den Erzählungen unseres Bootsmannes und meine Gedanken machen eine Sprung zurück in die 80er Jahre auf Palawan, auf Matinloc Island. Gedankenverloren löse ich mich von der Gruppe und gehe alleine von einem Zimmer zum nächsten, durch ein Stockwerk nach dem anderen.
Das Gebäude beherbergt viele Räume. Einige davon mit kaputten Möbeln, andere sehen dafür relativ intakt, aber lange zurückgelassen aus. Wir sind nicht die ersten hier an diesem Ort. Die meisten Räume sind Plünderungen zum Opfer gefallen. Doch die Möbelstücke, die zu groß sind, um sie auf einem Auslegerboot zu transportieren, sind zurückgeblieben. Bei einem Blick durch die Fenster immer wieder die traumhafte Kulisse der Bucht, zumindest bei Tageslicht. Ein Schlafzimmer mit einigen Stockbetten. Ein weiterer Raum mit noch mehr Betten. Irgendwie unheimlich. Lichtstrahlen fallen durch die geöffneten Fenster …
Zeitreise in die Vergangenheit von El Nido und Matinloc Island
Vor etwas mehr als dreißig Jahren hatte die wohlhabende Riza aus El Nido einen Traum, in dem ihr mitgeteilt wurde, sie solle sich auf die Suche nach einer herzförmigen Insel machen und dort einen Schrein zu Ehren der Heiligen Jungfrau Maria errichten. Eine Runde Kuppel auf zwölf Pfeilern soll er haben und in der Mitte eine Statue der Heiligen Jungfrau. Typisch für die meisten Filipinas war Riza religiös und nahm ihren Traum sehr ernst. Also machte sie sich mit ihrem Mann Frédéric, einem Franzosen, auf die Suche nach der richtigen Insel in der Inselwelt von El Nido. Auf Matinloc Island fanden sie den perfekten Ort für ihr Vorhaben.
Neben dem Schrein bauten sie auch eine große Villa für sich und ihre Familie mit einigen Gästezimmern. Mit einer Dachterrasse und tollem Ausblick über die Bucht. Ein herrschaftliches Haus. Es ging ihnen gut, doch das abgeschiedene Leben auf der Insel weit weg von der Familie in El Nido war eintönig und einsam. Hin und wieder schauten ihre Eltern, Geschwister oder Freunde vorbei, aber Riza verfiel nach und nach in eine große Traurigkeit und die einzige Freude, die sie noch fand, war der Schrein. In diesem verbrachte sie täglich mehrere Stunden, las und betete.
Das ging auch nicht ohne Folgen an ihrem Mann vorüber, der sich anfangs noch mit dem Garten beschäftigte, aber auch die Freude dafür lies nach. Sie stritten immer mehr und hatten sich bald völlig voneinander entfremdet. Obwohl sie auf so einem kleinen Stück der Insel doch so nah beieinander lebten. Darauf packte Frédéric seine Sachen und verließ die Philippinen für immer. Sein dauerhaftes Glück hatte er hier nicht gefunden.
Dies machte Rizo umso trauriger, sie kümmerte sich nicht mehr um das Haus und Besucher wurden noch seltener. Bis die Gäste komplett ausblieben und die Villa immer mehr verwahrloste. Da kam ihre Familie und nahm sie mit zurück nach El Nido. Schweren Herzens verließ sie die Insel und zog wieder in ihren Heimatort. Ihr Herz sollte für immer unglücklich bleiben.
Die Kirche übernimmt die Insel
Die Familie vermachte die Villa und den Schrein der Kirche von El Nido, die darauf das Haus als Unterkunft für Pilger zur Verfügung stellte. Eine kleine Gruppe von pilgernden Nonnen fand sich eines Tages auf der Insel ein. Sie verbachten ihren Zeit mit Lesen und Beten, wie Riza damals. Doch bei Nacht hatten sie ein komisches Gefühl. Als wären sie nicht allein. Doch außer ihnen war hier niemand. Sie hörten seltsame schlurfende Geräusche, ein leises Wimmern. Außerdem spürten sie einen kühlen Luftzug. Am nächsten Morgen war es wieder friedlich wie immer. Doch des nachts wiederholte sich das Schauspiel ein ums andere Mal. Das ließ den Nonnen keine Ruhe. Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollten, beschlich sie immer mehr der Gedanke, dass der Geist von Riza zurückgekehrt war oder die Insel nie verlassen hatte. Sie wussten sich nicht mehr anders zu helfen und kehrten der Insel den Rücken.
Spukt es auf Matinloc Island?
Die kursierenden Spukgeschichten ließen immer weniger Pilger kommen. Doch das Haus war groß und es gab viel zu tun um es in Stand zu halten. Die hohen Kosten zum Erhalt zwangen die Kirche letztendlich Haus und Schrein an die Regierung zu übergeben. Diese wollte daraus ein Hotel machen. Nach den kursierenden Erzählungen vom Geist von Riza, gab es kein Interesse auf Seiten der Investoren und das Gebäude wurde seinem Verfall überlassen.
Traurig, aber wahr oder ging vielleicht doch ein wenig meine Fantasie mit mir durch? Denn seither kommen die Bootsmänner mit ihren Reisenden und erzählen die unterschiedlichsten Geschichten des Schreins von Matinloc. Doch keiner scheint zu wissen, was wirklich passiert ist. Auch ein kleines Museum in einer Grotte unter dem Haus mit Bildern und Texten zur Entstehungsgeschichte lässt einen ohne befriedigende Erklärung zurück. Das wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.
Was steckt hinter dem Lost Place von Matinloc Island auf Palawan?
Vielleicht hat doch die Regierung ihre Finger im Spiel, weil es hier noch ungehobene Schätze von hohem Wert im Boden zu bergen gibt? Oder wurden tatsächlich beim Bau der Umwelt große Schäden zugefügt? Lag es einfach nur an fehlenden finanziellen Mitteln und irgendwann hat sich keiner mehr dafür verantwortlich gefühlt? Wurden vielleicht beim Bau Steuern hinterzogen und dafür eine hohe Geldstrafe ausgesetzt?
Heute ist der Matinloc Schrein ein verlassener Ort am Fuße von Karstgestein und dichtem Dschungel an der Westküste von Matinloc Island. Einzig Boote mit Reisenden finden täglich ihren Weg zu dieser Stelle auf der Insel. Die einen kommen aus spirituellen Gründen, die anderen genießen die Aussicht vom Karstgestein in die Bucht. Matinloc bedeutet schön. Ja, die Aussicht von hier oben lässt mich gut nachvollziehen, warum jemand ein Haus an diese Stelle auf der Insel gebaut hat. Und irgendwann nimmt sich die Natur zurück, was einst ihr gehörte …
Ich lausche gerne Geschichten von Geistern und Mythen. Auch wenn ich nicht an diese Phänomene glaube. Ich bin nicht einmal religiös. Aber es macht Spaß beim Spazieren durch alte Gebäude, wie diesem Lost Place auf Matinloc Island, mir die Menschen und Geister vorzustellen, meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Wenn es zu unheimlich wird, kann das auch nach hinten losgehen und meine Fantasie macht mir selbst Angst. Denn ich gebe zu, dass ich besonders gut auf der visuellen Ebene zu kriegen bin. Deshalb lese ich auch lieber spannende Bücher, als mir spannende Filme anzuschauen. Bei Büchern behalte ich wenigstens die Kontrolle über meine Bilder im Kopf. Am späten Nachmittag verlassen wir die Insel wieder und ich werde wohl nie erfahren, ob es auf Matinloc Island nachts spukt …
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Warst du auch schon einmal an einem Lost Place? Wie stehst du zu Geschichten über Geister und Mythen?
Info:
Auf die Insel kommst du mit Tour C, die bei allen Islandhopping Anbietern in El Nido gebucht werden kann.
*Die Vornamen in der Erzählung sind frei erfunden.
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