Rauchschwaden umhüllen meinen in ein Tuch eingewickelten Körper. Sie drückt mit ihren öligen Zeigefingern auf meine Hauptschlagader. Stellt sich hinter meinen Stuhl und beginnt meine Schläfen zu massieren. Dabei murmelt die Heilerin leise vor sich hin und pustet mir anschließend in den Nacken.
Unsere Suche nach Heilern beginnt in den dicht bewaldeten Bergen von Siquijor. Eine philippinische Insel im Süden der Visayas, die gerne als Hexeninsel, Insel der Heiler oder Insel des Feuers bezeichnet wird. Wir fahren mit dem Scooter durch kleine Dörfer und Häuseransammlungen, fragen verschiedene Leute nach dem Weg. „Ihr wollt zur Heilerin? Einfach weiter gerade aus und dann links.“ Die Richtung scheint zu stimmen. Ich bin gespannt wie ein Heiler oder eine Heilerin aussieht. Geht meine Fantasie mit mir durch oder erwartet uns tatsächlich eine Art gute Hexe wie man sie aus Märchen kennt?
In San Antonio kommen wir unserem Ziel immer näher. Nach Begegnungen, die mit fragenden Blicken enden, treffen wir auf einen Mann, der uns den Weg höchst persönlich zeigen möchte. Er hat eine stark geschwollene Hand mit einem Blätterverband. Wir sind guter Dinge, dass er uns tatsächlich zum Ziel bringt. Mit seinem Sohn geleitet er uns auf dem Motorrad zur Heilerin. Mitten im Wald steht ein Haus, ein typisches philippinisches Haus. Hier stimmt das Märchen von der Hexe also noch. Vor dem Haus dürfen wir in einer Art überdachter Wartebereich Platz nehmen und ich warte gespannt, was als nächstes passiert. So wie es aussieht, ist die Heilerin im Moment nicht da.
In der Zwischenzeit können wir einen Blick in den leicht abgedunkelten Raum werfen. Dort sind Flaschen mit verschiedenen Kräutern und Kräuterölen aufgereiht. Auf Schildern lese ich „Protection“ und „Love Potion“. Außerdem gibt es in dem kleinen Raum bunte Armreifen und Ketten mit einem aus Holz geschnitzten Kreuz gefüllt mit Kräutern, die Schutz gewähren und böse Geister abwehren. Wobei die Ketten wohl eine stärkere Wirkung haben, wie ich später noch erfahre. Sie schützen auch vor äußeren Einflüssen wie Unfällen. Ein Fernseher und zwei Betten befinden sich auch im Raum. Es scheint als würde dieser Ort sowohl als Wirkungsstätte für das Heilen, als auch als Wohn- oder Schlafzimmer der Familie genutzt werden.
Wir nehmen noch einmal draußen Platz. Kurz darauf erscheint sie, die Heilerin. Sie hat so gar nichts von einer Hexe. Eine kleine, selbstbewusste und moderne Frau bittet uns herein. Ihr Name ist Anecita, sie ist 45 Jahre alt und erzählt uns, dass das Heilen in ihrer Familie Tradition hat. Auch ihr Vater war Heiler und ihr Bruder ist es auch. Bereits mit 13 Jahren hat ihr Vater sein Wissen an sie weitergegeben.
Sie möchte wissen, was sie für uns tun kann. Darüber habe ich mir nicht wirklich Gedanken gemacht. Mir geht es gut, aber was mich hierher getrieben hat, ist meine Neugier. Meine Neugier über diese spirituelle Welt, über Geister, über die Tätigkeit einer philippinischen Heilerin, die mir als Europäerin so fremd ist und gleichzeitig so spannend erscheint. Da wir nicht sofort antworten, schlägt sie eine traditionelle Prozedur mit Rauch, unter Einbezug der Elemente und eine Heilmassage mit Kräuterölen vor. Das klingt interessant!
Anecita bittet mich auf einem Stuhl in der Mitte des Raumes Platz zu nehmen. Während der Behandlung steht die Tür offen. Weitere Leute kommen, nehmen draußen Platz und unterhalten sich.
Zuerst drückt sie mir ein angenehm nach Kräutern riechendes Öl auf die Handgelenke, dann legt sie ein Tuch um mich und beginnt mit einer Art Druckmassage an den Schläfen und am Kopf. Dabei flüstert sie leise. Ich stelle mir vor wie sie die Geister der Elemente herbei ruft. Darauf folgt ein Pusten in meinen Nacken, während hinter mir erste Rauchschwaden aufsteigen und mich einhüllen. Nachdem sie die Quelle des Rauchs und das Tuch entfernt hat, beginnt sie mit dem wohlriechenden Kräuteröl die kräftige Heilmassage. Nacken, Schultern, Arme, Rücken und Bauch.
Zum Schluss noch einmal Druck auf die Handgelenke. Eine Tasse Kräutertee schließt die Prozedur ab. Er schmeckt nicht wirklich lecker, aber stark nach erdigen Kräutern und vielleicht ist er gerade deshalb gesund. Anecita erzählt: „Es gibt hier etwa 200 verschiedene Kräuter. Der Kräutertee ist meine eigene Rezeptur. Am besten du trinkst davon täglich eine Tasse. Das ist gut für die Gesundheit und schützt dich vor Krankheiten.“ Für die Heilmassage ist kein Preis festgelegt. Du kannst der Heilerin geben, was die Behandlung dir wert war.
Ich frage sie, was für Leute zu ihr als Heilerin kommen. Sind das hauptsächlich Menschen von der Insel? „Natürlich kommen vor allem die Leute von der Insel, aber auch täglich mehrere Touristen. Auch heute seid ihr nicht die Ersten. Und es gibt sogar Touristen, die immer wieder zurückkommen.“ Sie erzählt von einem Mann aus dem Westen, der lange Probleme mit dem Beugen seiner Arme hatte. Dank ihrer Heilmassage und ihrem Tee geht es ihm besser und er kommt nun jedes Jahr wieder zu ihr nach San Antonio.
Heute ist auch ein ganz besonderer Tag, denn das Fernsehen kommt für ein Interview mit ihr vorbei. Während der Behandlung schaut auch kurz eine Frau vom Fernsehsender herein, sie sind schon bereit. Anecita scheint ziemlich bekannt zu sein.
Nach der Behandlung fragt uns der hilfsbereite Mann nach Benzingeld. So verliert seine Hilfsbereitschaft ein wenig an Zauber. Trotzdem bin ich ihm dankbar, dass er uns hierher gebracht hat und ich die Erfahrung einer philippinischen Heilmassage und einer Elemente- und Rauchprozedur machen konnte. Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich mich nach der Behandlung anders fühle, aber die Massage war sehr angenehm, entspannend und wohltuend mit einem Hauch von Zaubereistimmung. Eine gute Tat für das eigene Wohlbefinden und eine spannende spirituelle Erfahrung. Nach einem Tag auf der Suche nach Heilern und einem wunderschönen Sonnenuntergang am Abend falle ich glücklich und zufrieden ins Bett und freue mich auf einen neuen Tag auf Siquijor. Denn es gibt hier noch viel zu entdecken.
Auch wenn du gerade nicht auf Reisen bist, gönne dir regelmäßig etwas Gutes für dein Wohlbefinden, probiere etwas Neues aus, mache dir eine entspannte Zeit. Sei es eine spirituelle Erfahrung wie ich es gemacht habe oder eine Thaimassage, ein Saunabesuch, eine Yogastunde, eine Runde Laufen am Wasser, ein veganes Fünf-Gänge-Menu, einen Meditationskurs, einfach eine Tasse Tee. Oder gönne dir auf deiner Philippinenreise ein paar entspannte Tage im Camp am einsamen Strand und lass dich kulinarisch verwöhnen. Dein Körper und Geist werden es dir danken und dich mit neuer Energie versorgen.
Teetrinken und einen Moment innehalten
Zum Schluss habe ich noch eine Rezeptur für einen wohltuenden philippinischen Kräutertee (leider nicht das Geheimrezept von Anecita):
Pito-Pito (Sieben-Sieben) ist eine philippinische Kräuterteemischung, die sich aus sieben traditionellen Kräutern zusammensetzt. Die Zahl Sieben ist essentiell wichtig, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Traditionell setzt sich der Tee aus sieben Blättern dieser Pflanzen zusammen:
- Alagaw (Premna Odorata Blanco),
- Königinblume (Banaba Leaf, Lagestroemia Speciosa),
- Guave (Psidium Guajava),
- Pandanus (Pandanus Amaryllifolius),
- Mango (Mangifera Indica)
- mit je einem Teelöffel von Anis (Pimpinella Anisum) und
Koriandersamen (Coriandum Sativum).
Die Kräuter 30 Minuten in Wasser kochen und heiß trinken.
Der Tee soll wohl unter anderem bei diesen Beschwerden helfen: Kopfschmerzen, Fieber, Husten, Erkältungen, Bauchschmerzen, Durchfall.
(Inwieweit der Tee wirklich wirkt, kann ich nicht beurteilen. Bei ernsthaften Beschwerden bitte immer einen Arzt aufsuchen.)
Welche spirituellen Erfahrungen hast du schon gemacht? Was gönnst du dir regelmäßig? Was möchtest du gerne noch ausprobieren? Ich freue mich auf deinen Kommentar.
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Danke für den spannenden Artikel! Wir waren ja auch auf Squjor, zu einer Heilerin zu gehen habe ich mich aber nicht getraut…Aber wenns mich absolut interessiert hätte aus reiner Neugierde! Bestimmt eine spannende Erfahrung und ich fands schön, dies nun mit deinem Artikel noch nachzuholen 🙂
Und ganz herzlichen Dank für deine Verlinkung!
Liebe Grüsse aus Malta,
Valeria
Liebe Valeria,
meine Neugier und Entdeckungsfreude waren dann doch größer als Befürchtungen, dass ein böser Spuk hinter diesen Geschichten von Heilern stecken könnte. Freut mich, dass ich dich mit meinem Artikel auf diese spannende Erfahrungsreise mitnehmen konnte. Danke für deinen inspirierenden Artikel, dieser hat mich in Gedanken wieder zurück nach Siquijor befördert und all die schönen Erinnerungen an die Zeit dort hervorgerufen.
Eine schöne Zeit auf Malta wünsch ich dir und liebe Grüße
Yvonne
Hallo Yvonne,
ein toller Bericht über eine sehr schöne Erfahrung!
Auch ich frage mich jetzt wie eine Heilerin wohl aussieht 🙂
Du hast mich neugierig gemacht!
Liebe Grüße aus der Türkei,
Julia
Liebe Julia,
vielen Dank für deine netten Worte. Das war wirklich ein besonderes Erlebnis mit Wohlfühlcharakter.
Freut mich, dass ich deine Neugier wecken konnte. Lasse deiner Fantasie gerne freien Lauf oder Reise einmal selbst in die Wälder von Siquijor, um das Geheimnis um das Aussehen der Heilerin zu lüften. Wie schön, ich mag die Vorstellung, dass deine Neugier mit diesem Artikel angeregt wurde.
Wünsche dir eine gute Zeit in der Türkei und liebe Grüße
Yvonne